Dienstag, 24. Februar 2009

Relay for Life

Sonntag, 22. Februar, 0:00 Uhr

„You may now officially stop walking.“
Der Menschenfluss, mit dem ich die vergangenen 2 Stunden auf Gras geschwommen bin, bleibt stehen und grölt und klatscht, zusammen mit der Menschenmenge vor der Bühne, auf der die Hauptorganisatoren des RELAY FOR LIFE stehen, u.a. „Survivors“, um sich anschließend bei vielen, vielen Beteiligten zu bedanken. Wir bleiben eine Weile stehen und richten Augen und Ohren auf die Bühne, sind aber dann doch zu müde und gehen zum Zelt der Otago Girls’ High School, in dem der Rest unseres Teams sich aufwärmt.
Es regnet seit 37 Stunden ununterbrochen, mal aus Eimern, mal nur dieser niedliche Drizzle, den man kaum merkt, der einen aber innerhalb von 2 Minuten klatschnass macht, bevor der Moment kommt, in dem man sich fragt bzw. ich mich frage, was da von oben auf meine Schuhe tropft, ach, es regnet ja, und die Tropfen kommen von meinen Haaren, sind also wirklich schon klatschnass.
Ich muss lächeln, als ich mehr Regenschirme als Menschen sehe (die meisten sind UNTER den Regenschirmen) und der Animationsguru der Veranstaltung, ein gelungener Freddie-Mercury-Robbie-Williams, „We are the champions“ singt. Bin irgendwie dankbar, dass auf „The show must go on“ verzichtet wurde, das fände ich ungeschickt ausgewählt. Nebenbei wird mir klar, dass ich heute garantiert von Kreisen träume. Wahrscheinlich muss ich durch Reifen springen und bleibe hängen oder irgend sowas idiotisches, REALES. Bin ja bissl tollpatschig.
Als wir zum Auto gehen, spielen sie „Summer of ’69“ und ich muss wieder grinsen und denke einmal mehr an Ines.

Samstag, 21. Februar, 21:45 Uhr

Krass, die Scheinwerfer machen die Nacht zum Tag, man könnte ein Buch lesen, so hell ist es hier. Ich fange an zu laufen, die erste Runde, die zweite Runde, und höre auf zu zählen, während ich mit halbem Ohr der Moderatorin zuhöre, die alle Anwesenden daran erinnert, warum wir da sind und das tun, was wir tun – einige wohl seit 10 Stunden. Das andere halbe Ohr hört meinen eigenen Gedanken zu, die sich um dasselbe drehen.
Jess fragt mich, ob wir so was in Deutschland auch machen, und ich muss passen und fühle mich irgendwie schuldig. Ich sehe das Gras unter mir, es sieht aus wie gekämmt, mit einem sehr feinen Kamm, es gibt keinen Scheitel, denn es formt einen Kreis. Auf diesem Kreis bewegen sich konstant vielleicht an die 300 Menschen mehr oder weniger schnell, es gibt kein Ziel – außer dem Weg.
Nach einer Weile wird Musik gespielt, und sie verärgert mich, denn ich sehe nicht gleich, was „Hey Baby, uuuh, aaah, I wanna knooooow if you’ll be my girl“ mit der Unterstützung der Krebsforschung zu tun hat. Die meisten hier scheinen genau das aber schon zu sehen, denn die übertönen fast das, was aus den Lautsprechern kommt. (Kleine Bemerkung am Rande: Finde es aber doch interessant, dass dieser DJ Ötzi-Typ es mit seinem Remake bis nach Neuseeland geschafft hat.)
Während ich also laufe und versuche, die 3000 Regenwürmer zu ignorieren, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, wird mir klar, warum ich hier bin, und dass das durchaus mehr ist als die relativ banale Idee, „einfach ne Weile im Kreis zu gehen, es ist ja für einen guten Zweck.“ Ich bekomme leicht Gänsehaut, nicht, weil mir kalt ist, sondern weil ich froh bin, dass Menschen, die einander nicht kennen, sich gegenseitig helfen und lächeln und miteinander reden über ihre Erfahrungen – und, dass das hier selbstverständlich ist.

Samstag, 21. Februar, 23:00 Uhr

Ich muss innerlich etwas über mich selber lachen, weil ich schlagartig begreife, warum hier die Menge tobt und sich freut über „Living on a Prayer“ und „I want to break free“ und „Pretty woman.“
Noch vor einer Stunde dachte ich, man sollte hier mit gesenktem, nassem Kopf gehen und an die Menschen denken, die in irgendeiner Weise betroffen sind, dass wir hier ein kleines symbolisches Denkmal setzen für die, die wir verloren haben und für die, die es geschafft haben, und irgendwie lag ich damit auch gar nicht so falsch, nur … es geht nicht darum, sich hier zu versammeln und gemeinsam zu trauern. Es geht vielmehr darum, das Leben zu feiern und die Tatsache, dass nichts wirklich aussichtslos ist und wir den Weg aus der vermeintlichen Aussichtslosigkeit unterstützen, glätten müssen.

Ich entscheide mich dennoch gegen Partizipation am allgemeinen Stimmungshoch und feiere das Leben auf meine eigene, merkwürdige Art, mit meinen gedanklichen Denkmalssymbolen und meinen mittlerweile nassen Füßen in matschigen Winter(!)schuhen im Schlammgras, das sich an nackten Füßen bestimmt herrrrrlich anfühlt, wenn es hier nur nicht so scheiß kalt wäre…

Sonntag, 8. Februar 2009

Kaffee, Kekse und KFahrradfahren ;)


Schon 10 Tage hier. Fühl mich bereits relativ heeme, also, ich weiß, wo ich Cola kaufen kann und Kekse (habe derzeit nen Jieper, denke den ganzen Tag an Kekse), und ich erprobe auch schon verschiedene Wege in die Stadt, denn den einen kenn ich ja schon so gut, und man will ja experimentieren. Dunediner sagen, dass das Beste an Dunedin ist, dass man über viele verschiedene Wege zu einem Ort gelangen kann. Sehr wahr, das. Man kann sich auch prima verlaufen, aber habe auch cleverhaft schon nen Stadtplan gekauft, den ich immer bei mir trage.


Wie auch meine geliebte Lumix. Hach, wie froh ich bin, dass ich im Dezember in einem Anfall von Krass,-ich-hab-nen-Job,-ich-habe-Geld,-das-geb-ich-gleich-mal-aus-Gefühl diese geniale Kamera gekauft hab. Hab das Gefühl, man muss gar nicht fotografieren können, die Bilder hier sind von alleine schön irgendwie. Ob das jetzt an der Kamera liegt oder an den Objekten, lass ich mal im Raum stehen.


A propos Raum: Mein Zimmer sieht so aus:

Ach ja, letzte Woche hat ja mein Job angefangen. Für die, die es nicht wissen: bin Fremdsprachenassistentin an 2 Schulen, einer Mädchen- und einer Jungenschule, und helfe den Deutschlehrern, indem ich mit meinem wunderbaren sächsischen Dialekt und einer Tüte Haribo (die ich nur UNGERN zur Verfügung stellen werde) den Unterricht mit Authentizität erhelle. So richtig los geht es erst am Montag, aber hab schon schön Unterrichtsluft schnuppern können und muss sagen, es ist doch alles sehr, sehr anders als bei uns. Lehrer und Schüler wirken fast n bissl wie Geschwister, was bei einer Klassenstärke von mitunter 9 Schülerchen nicht verwundert. Meine kleinste Klasse hat sogar nur 5 Schüler. Scheint fast so, als wäre Deutsch jetzt nicht der Bestseller an Schulen, wa? Ist aber für den Unterricht selbst unglaublich bereichernd, logisch.

Marta und ich hatten aber recht wenig zu tun am Anfang, denn das Schuljahr hat ja erst begonnen, und vieles war ja erst mal von organisatorischer Natur. Wir wussten die Zeit aber zu nutzen, und das sah dann eigentlich immer so aus:

Da Marta für das Wochenende ein Auto gemietet hat (sie fährt mit ihrem Mann in die Berge), sind wir vorgestern mal zum Strand gefahren (St. Clair Beach). Wowwww, der Pazifik flößt mir immer wieder aufs Neue so eine Ehrfurcht ein. Sind dann ziemlich lange barfuß am Strand langgestiefelt…

Auf dem Rückweg haben wir noch ein paar mal angehalten, um den Blick über Dunedin zu fotografieren:

Gestern habe ich mit Elsa (französische Assistentin) und ihrem Mitbewohner Ben nen Ausflug zum Tunnel Beach gemacht. Es war ihre Idee, und auf dem Weg dorthin hab ich ihr geschworen, sie umzubringen, denn es ging ausnahmslos bergauf. Habe ich schon die Berge in Dunedin erwähnt??? Wenn jemand denkt, na ja, die LuWu in Halle oder der Kupferberg in Großenhain sind Berge, der soll man schön ruhig sein. Fakt ist, in Dunedin GIBT ES KEINE Straße, die kein Berg ist. Die steilste Straße der Welt befindet sich hier, Beweisfoto kommt noch. San Francisco? Gar nüscht dagegen! Tunnel Beach jedenfalls befindet sich zwar logischerweise in der Höhe des Meeresspiegels, aber man muss erstmal dahin fahren, um dann 20 Minuten steil bergab zu laufen, damit man zum Tunnel kommt:

Ich hab Elsa dann doch nicht umgebracht, denn alle Anstrengung hat sich doch sehr gelohnt, als sich uns dieser Anblick bot:

Herrlich. Ziemlich laut da, wegen der Wellen, die an die Felsen klatschen. Aber alles sehr, sehr beeindruckend. Elsa meinte, „das da hinten muss die Antarktis sein“, aber der Südpol ist knapp 5000 km entfernt. Hab ihr aber zustimmen müssen, denn der Horizont sah doch recht antarktisch aus ;-)

Nachdem wir also schätzungsweise 1,5 Stunden (gefühlte 2 Tage) gebraucht haben, um hin zu kommen, waren wir, glaub ich, in, na sagen wir mal etwa 27 Minuten wieder im Stadtzentrum, denn wir konnten ja wieder bergab. Herrlich und gefährlich, denn innerhalb von 3 Sekunden hat man nen Affenzahn drauf, huiiiiiiiii.

Heute früh war ich mit Elsa beim Farmers Market, dicht drängten sich die Massen, Karotten und Schalotten einkaufend. Ein sehr angenehmer Geruch auf diesem Markt, dessen Charakter sich allerdings alle 5 Meter änderte, und es wurde immer besser, aber man sollte nicht hingehen ohne Frühstück im Bauch (wie ich), denn dann will man ALLES kaufen. Habe mir einen Giant Chocolate Cookie gegönnt, der in der Tat riesig war, mit nem riesigen Stück Schokolade in der Mitte, yuuuum!

Die Fußgängerampeln hier, um mal ungalant das Thema zu wechseln, machen übrigens ein lustiges Geräusch, wenn man gehen darf. Bisschen wie ne Silvesterrakete.

Viele Grüße aus Kiwiland,

Conny :)