Samstag, 7. November 2009

Verdammt, die Zeit…



Das Ende rennt mir entgegen, find ich doof und bewege mich nicht, renne eher lieber rückwärts und sag dem Ende, es soll bleiben, wo der Pfeffer wächst, aber was soll’s.

Nutze die Zeit ja, so gut ich kann, und das NUR, um Euch was Spannendes berichten zu können. „Let it be“ strömt von den Kopfhörern in meine Ohren, herrlich, dieser Sound, als entstünde er im Kopf.

Dazu: strahlend blauer Sommerhimmel, Temperatur so hoch, dass ich hier im T-Shirt sitze und es mal nicht bereue, ich bin ein Sommerkind und erfreue mich an den weißen Stellen auf meiner Haut an den Handgelenken und dem kleinen Streifen um meinen kleinen Finger, den ich aber ja mit nem Ring bedecke.

---------
Mann, mann, mann. Alles besser jetzt. Hier in Neuseeland jedenfalls. Streng abgesehen davon, dass ich Marta und Zeus verabschiedet hab, wir sehen uns erst in 13 Monaten wieder; ein theoretisch trauriger, aber tatsächlich glücklicher Abschied, weil man sooo weiß, was man an einander hat, und es gibt nichts Schöneres.

Ich fühle mich riesig inspiriert von meiner Glückseligkeit – ob das dann zu Kunst wird oder welche ist, war mir noch nie so egal. Es blüht, es duftet, es lächelt und blinzelt und das bisschen Schnee taut auch noch in den Bergen.

------------

Anfang Oktober waren wir da aber noch nich ganz. Ruth und ich sind nach Cass Lagoon gefahren, so 2 Stunden von Christchurch entfernt, und haben dort 2 Tage mit Wandern verbracht.


[Mittagspause]

Ruth meinte, wir würden einige Flüsse überqueren müssen. Na, kee Problem, Meine! War ja schon oft wandern und fand es nich schlimm, über Brücken zu gehen oder im Ernstfall von Steinchen zu Steinchen ans andere Ufer zu kommen. Bin doch fit und mutig und hab auch keine Angst, wenn mal Wasser auf die Stiefel spritzt.

Was war ich naiv! Am ersten Fluss, so 15 Minuten nach Beginn der Wanderschaft, wurden meine Augen groß bei dem, was sie beobachten mussten, und mein Mund ging nicht mehr ganz zu, so geschockt war ich. Ruth meinte nämlich, den Fluss müssen wir überqueren. WIE JETZ?? Wo sind die stepping stones?? Ich finde welche! Warte hier. Ruth grinst mich an und würde mir wohl nen Vogel zeigen, wenn sie mit der Geste oder dem Ausdruck kulturell vertraut wäre. Sie wartet nicht und springt in die reißende Bestie, die vor allem eiskalt ist, es ist ja noch Neuseeland-Winter, in den Bergen jedenfalls.

Ich so: Nö, ich weigere mich, dann hab ich ja den ganzen Tag klatschnasse Füße, und kalte, und morgen sind die Schuhe auch noch nich trocken!

Ruth: “Welcome to New Zealand Tramping! What’s the fuss?” – Ich soll nich so ein Theater machen und hinterherkommen, denn das ist offenbar nun mal, wie man professionell wandern geht in Neuseeland. Ich möchte schnauben wie ein genervter Drache oder so, berate mich mit dem Teufel und dem Engel auf meinen Schultern und sehe ein, dass es keinen anderen Weg gibt. (Ruth meinte auch noch: "What is it with you Europeans?" - Rassistin!)

Rein also. Aaaaaaaaaaaaaah, sag ich. Ruth hat Spaß. Sie steht schon am anderen Ufer und wartet darauf, dass ich aufhöre, ein Drama draus zu machen. Ich stelle mir vor, wie bald meine Füße abfallen wegen Gefrorenheit und ärgere mich, mitgefahren zu sein, denn wozu sind denn die teuren Wanderstiefel noch gut, ohne Füße???

Nun ja, es folgten 9 weitere river crossings, denn der Waimakiriri River windet sich fein hin und her an den Bergfüßen entlang, sodass man halt immer mal an ner Sackgasse ankommt. Manchmal ist die Strömung so stark, dass wir uns aneinander festkrallen müssen, so mit den Armen zwischen Rücken und Rucksack, schön verhakt, sehr effektiv, da schmeißt uns keiner um.

Die Beine sind knallrot, wenn man aus dem Wasser kommt.

Spannend. Ab der dritten Überquerung fand ich es toll, weil so abenteuerhaft und wenn man so stiefelt, dann wird einem warm und dann freut man sich hin und wieder über Eiswasser bis zu den Knien. Manchmal mit Schlamm, da muss man dann schon mal kurz anhalten und die Stiefelchen säubern, sonst werden ja die Füße schmutzig.




Wir sind irgendwann dann – es war gar nicht sooo kalt eigentlich und das Wetter war gut – in einen Schneesturm geraten, davon hab ich nun blöderweise keine Bilder, aber man glaube es mir bitte; wollte ja nicht die Kamera gefährden.


[Hier nur einfaches Schneien, kein Sturm.]

Ich habe dann auch glücklicherweise endlich mal Keas gesehen, diese schönen Biester, die so gerne den Gummi von Autoscheiben knabbern und einem einen gehörigen Versicherungsschaden bescheren, wenn man nicht aufpasst, und wenn man Essen hat, zerhacken sie einem auch gerne mal den Rucksack, um es zu klauen. Oder das Zelt.


Wir hatten aber Glück, sie nur im Wald zu treffen, in dem sie beschäftigt waren. Ruth hatte offenbar schon ne Versicherungserfahrung mit ihnen gemacht, weshalb sie meine Euphorie nicht so ganz teilen konnte. Das hab ich genau gesehen, so wie sie die angeguckt hat!



----------

Nach dem Wochenende kam Elsa hoch nach Christchurch, hurraaaa! Wir haben uns dann ein Auto besorgt und sind an die Nelson Lakes gefahren, um dort Ann zu treffen. Überraschenderweise – zum Wandern. Wieder Berge, und Seen (Lake Rotoiti, übersetzt „kleiner See“), und Philosophieren, und gegenseitiges Erfreuen an unserer rar gewordenen Präsenz.





Und gleich noch nen Kea gesehen! Der fand unser Essen so betörend, dass er uns direkt eine Weile gefolgt ist, dann war er weg.



Und dann erwartete er uns schon voller Vorfreude an der Hütte (an der wir eigentlich gar nicht ankommen wollten an dem Tag, haben da wohl ne Abzweigung verpasst, hähä…).





Wir genossen die Frühheit unserer Ankunft und lungerten 2 Stunden lang in der Sonne vor der Hütte rum, Suppe schlürfend und lesend und schreibend und sich unterbrechend und fragend und redend, dann dachten wir, gucken wir doch mal, was es noch weiter oben so gibt…








Hier offensichtlich nur geringfügige Flussüberquerungen, wie der Durchschnittseuropäer sie mag, aber Schlamm von Schneeschmelze, AN MEINEN STIEFELN!!


Aber nich schlimm, kann man ja im Schnee abschmieren, der muss nicht so weiß sein. So is besser, ne?





Habe hier Ann mal gefragt, ob wir mal schnell ein gestelltes Foto von mir machen können, in dem ich vorgebe, auf meinem Hintern runterzurodeln. Hat das was oder was?


[Spaß auf dem Gipfel]

Wir wurden Zeugen eines wunderschönen Sonnenuntergangs, waren noch in Gipfelnähe, Briederleen, der hätte Dir gefallen… aber hab mal n Foto für Dich gemacht.




Abends in der Hütte dann Gesellschaft von 4 anderen Menschen, von denen 2 schon mal Feuer gemacht hatten, während wir weg waren, hach. Schön gemütlich, mit mehr Suppe, Lesen, Schreiben, Reden.


Und die Feststellung, dass da im April auch schon mal jemand in der Hütte war. Jemand, den wir kennen! Kleine Welt. Petra hat mit Elsa zusammengewohnt.


Dann ist es mir gelungen, im Schlaf ein Bild von unserer Schlafsituation zu machen, muss man ja auch zeigen, der Vollständigkeit halber.


Bald darauf waren Elsa und ich auf dem Weg zurück nach Christchurch, mit einem kleinen nackten Abstecher nach Maruia Springs, ein Japanisches Bad ist das, da verstößt man gegen etwas, wenn man etwas an hat. Schön warm da drin, und die 19 Dollar waren es uns wert. Nach dem Gewandere auch gar keine schlechte Idee, so generell. Keine Fotos, nein.



DANN…

Die Nordinsel. Der zweite Versuch.



Nachdem die Nordinsel Jule und mir 3 Wochen vorher ja vor allem ihre wolkige Seite gezeigt hatte, bin ich noch mal für 2 Wochen hoch, nicht alleine, sondern mit Gitarre, um 2 Dinge zu tun.

  1. Taranaki sehen
  2. Ngauruhoe und Ruapehu sehen

Alle drei sind Vulkane, aktive welche. Und ich kann sagen: Mission accomplished. Hab sie alle gesehen und einen davon sogar fast berührt, aber er war doch noch n bissl weit weg und ich hatte zum Glück keine Zeit, mich hochzuziehen (steil).


Hier im Bild - aus dem Bus gemacht - Taranaki (auch Mount Egmont genannt). Wollte ich gern betreten, aber überraschenderweise (komisch!) war das Wetter schlecht, sodass es sich nicht gelohnt hat.



Ich bin stattdessen in meiner Brauerei geblieben, in der ich wwoofen war (wwoof: worldwide opportunities on organic farms. Man hilft bei der Arbeit und bekommt dafür Essen und ein Bett mit Dach drüber. Wenn die „organic farm“ eine Brauerei ist (das ist selten, sehr selten, hehe), kann man auch Bier kosten und sich mit dem Brauer anfreunden und sich von ihm den gesamten Brauereiprozess erklären lassen und staunen). Mein Bett mit Dach drüber war interessanterweise in einer Avocadoplantage, auch mal schön.


Die Brauerei war so was von in der Pampa, dass ich trampen musste, um dahin zu gelangen:



Habe dann also Taranaki nicht wirklich gesehen, als ich da war, also nich so ganz…

Dann war da noch mein in Bezug auf Tiere, die man isst, traumatischstes Erlebnis EVER. Ruths Vater ist Farmer und hat Schafe, welch eine Freude, ich als Schäferstochter dachte mir, wenn einer denen beim Docking hilft, dann ICH! Wo ich doch Schafe so mag, und da das Docking irgendwie grausam klingt (wir klemmen den Lämmern die Schwänze mit einem heißen Eisen ab, damit die sich nicht so vollkacken, denn dann haben die Fliegen ein Leichtes und das kann tödlich enden), geh ich da hin und streichle die Kleinen, denn das macht sonst garantiert keiner. Ich hatte ja nicht geahnt, dass Ruth mir da mal wieder was aufgeschwatzt hat (wie das mit dem Fluss), was ich in meiner grenzenlosen Naivität unterschätzt hab. Gestreichelt hab ich die Schäfchen, aber ich musste ihnen auch eine Röhre in den kleinen Schafsmund halten und eine kackgrüne Essenz rauspressen, die ihnen wohl gut tut. Damit hatte ich noch den besten Job (neben „die Hand am Eisen“ (Ruth, die arme), der Injektion in den Hals (Chris, ihre (böse) Stiefmutter) und die Lochzange für „Markierung“, d.h. Entfernen von Ohrstücken (Hanna und Tony, ihre (Halb-) Schwestern). Aaaaah!


Das sind wir DAVOR. Ich hatte ja keine Ahnung! 350 Lämmer!

Das ist der Schäfer, Ruths Vater Alan. Mit dem Hund Zed (Zett, welcher Buchstabe sonst hat so viel Charme):



Hier Barney und ich, er ist ein Hausschaf.



Konnte mich aber in Wellington erholen. Bei Freunden von Ro (meiner Mitbewohnerin), die eine Badewanne im Garten haben, in der ich in der Nacht saß im heißen Wasser, mit Blick über Wellington. Hier ein Bild am Tag:




Und das ist ein Blick aus meinem Zimmer, das ich dort hatte. Abgesehen von dem (Kunst????-) Foto an der Wand, das mehr nicht zeigen hätte können von diesem Mann, hatte ich es da urgemütlich und warm, da Wände aus Glas und Sonne den ganzen Tag.

Wellington, schön auf seine eigene Art, wie immer.







Ngauruhoe und Ruapehu, die Vulkane, sind im Tongariro National Park. Herr-der-Ringe-Mordor. Ngauruhoe ist der Schicksalsberg. Und man möchte es nicht glauben, aber Frodo war noch da und wollte doch tatsächlich schon wieder den Ring aufsetzen.








[Ich nenne das mal das Tongariro-Kamel]




Geschlafen hab ich da übrigens in Turangi bei Joke, einer Holländerin, die aber schon seit 40 Jahren hier ist und perfekt Deutsch spricht. Hab sie über Couchsurfing gefunden und sie war so nett, mich bei ihr bleiben zu lassen, für ein ganzes Wochenende. Im Touristeninformationsgebäude traf ich den lieblichen Rémi aus Fronkraisch (auf Weltreise), der auch, wie ich, das Tongariro Crossing machen wollte, die Ein-Tages-Wanderung am Vulkan vorbei mit den unbeschreiblich schönen Emerald Lakes. Der Rémi kam dann direkt mal zum Abendessen mit zu Joke, zweimal sogar.







[Mittagessen auf warmem Untergrund wegen geothermischer Aktivität, angeneeeeehm]


[Ruapehu, bricht immer mal aus]

Joke gab mir ein schönes Kinderbuch, das meine Gute-Nacht-Geschichte war.



Dieses Mal bin ich wirklich gerodelt. Dank meiner Feuchtwetterhosen vom Warehouse für 14 Dollar 90 kein Problem. Schnell war ich, das sieht man hier leider nicht:



[Das ist Taranaki, ich glaub 280 km entfernt]

Das ist mal ne Karte von Taranaki, da sieht man mal noch deutlicher, warum man den Bilderbuch-Vulkan nennt:


Dann auf Wiedersehen, Nordinselmitte, back to Christchurch. Los, such das Flugzeug!





Die letzte Amtshandlung in meinem Zimmer, das nicht mehr mein Zimmer ist. Die Bilder müssen ab. Seufz.






Ich habe die vergangene Woche erfolgreich damit verbracht, Musik zu hören, auf dem Cathedral Square zu sitzen oder Gitarre spielend und Geld einnehmend zu stehen, viel Zeit mit den wunderbaren Menschen hier zu verbringen, meine neuseeländische Steuererklärung vor mir herzuschieben…

…sodass ich jetzt Panik bekomme, denn es ist später Nachmittag, gleich muss ich babysitten und morgen früh gegen 5 muss ich am Flughafen sein für meinen Flug nach Australien.

Ich hab noch NÜSCHT gepackt, noch kein Mietauto gefunden, noch nicht wirklich einen Schlafplatz für morgen in Melbourne. Und das Bilder hochladen für diesen Eintrag dürfte 4 Stunden dauern, inklusive Aufsicht sogar mehr.

Aber: die Beatles gehen von zwei Seiten in meinen Kopf und ich spiele in Gedanken freudestrahlend mit, meine Frisur ist schockierend echt. Und immerhin weiß ich schon, dass ich mich dank Couchsurfing morgen Vormittag in Melbourne im heißen Australien (25-35° und Sonne, breitgrins) mit Steph, die ich noch nicht kenne, im Central Business District auf einen Kaffee treffe. Und außerdem hab ich für all das, was ich NOCH NICHT gemacht hab, ne super Ausrede. Also mal wie Ruth gefragt: „What’s the fuss??“