Samstag, 15. August 2009

Did you know it's their poo?

Da der Anteil der von mir konsequent ignorierten E-Mails von Ebay, Amazon und GMX (die sind am schlimmsten) mittlerweile den von echten Menschen zu übersteigen scheint, dachte ich mir, ich rufe mich mal wieder in Erinnerung.

Außerdem bin ich heut morgen überraschenderweise leicht heulend aufgewacht, weil ich im Traum einer alten Schulfreundin (ich stehe in meinen Träumen immer kommunikativ auf dem Schlauch, geht das noch jemandem so??) nicht erklären konnte, warum ich ihr nicht alle Details aus meinem Leben erzähle („Conny, du bist ein Rätsel.“). Wir waren beide in der Tat sehr wütend auf mich (deshalb wohl auch das Geheule) und es sah fast so aus, als würde sich die seit Ende der Schulzeit auf sehr sporadischen, aber trotzdem wirklich positiv-sentimentalen Kontakt beschränkte Freundschaft in Luft auflösen. Die einfachste Antwort – fiel mir dann ein, während meine wachen Tränen sich in das Kissen zwangen – wäre gewesen, dass wir doch nun schon 9 Jahre aus der Schule sind und uns ja nur noch so einmal pro Jahr sehen, wie soll man denn in einem Kreis von 5 jungen Frauen innerhalb von 3-4 Stunden die Lücken eines Jahres und gänzlich veränderten Lebens (seit der Schulzeit) füllen? Besonders, wenn man die Gabe des Sich-Kurzfassens nicht besitzt?

Nun denn, es ist also mal wieder Zeit für ein Update, ich verstehe den Wink, wenn es denn einer ist, Dr. Freud. Außerdem kann mein fünfwöchiges Blog-Schweigen ja nur bedeuten, dass es mir inzwischen viel zu gut geht und ich so mit Leben beschäftigt bin, dass mir das Internet wegen des Ablenkungs- und labyrinthhaften Wissenskonglomeratspotentials auf den Zeiger geht – schlag ein Wort nach und finde auf großen Umwegen über mehrere Webseiten heraus, dass es noch 58 andere gibt, deren Bedeutung du schon immer mal kennen wolltest, und ach, das ist ja interessant, was heißt das denn auf Deutsch und wie funktioniert dies denn eigentlich?


(Ach! [Goethescher Seufzer] Wenn mein Hirn es nur behalten könnte!)



Als mein Bus, mit dem ich vom alten Otago in mein neues Canterbury umziehe, die stinkende Innenstadt Dunedins pestilenzialische Abgase pupsend hinter sich lässt, gibt der durchaus versierte Busfahrer den Hinweis, dass wir gleich die Kurve erreichen, vor der wir Dunedin das letzte Mal betrachten können.


--Melancholie oder was???

Ich lehne mich also lächelnd zurück, drehe die Lautstärke des kleinen Sony in meiner Hand hoch, genieße damit Highway 61 Revisited noch mehr („Cuz somethin’ is happenin’ here and you don’t know what it is…do you, Mr. Jones?”), mache es mir noch bequemer und lasse zufrieden, weil voller Vorfreude und Abenteuerlust, die Stadt hinter mir, die bereits einsetzende Sehnsucht nach 16 Smith Street (Elsas Haus) vehement verdrängend.



Es ist der 18. Juli und ich habe nun also den ersten Streich geschafft, 2 Quartale meines Vertrags in Dunedin „abgearbeitet“, auch, wenn es sich gar nicht so angefühlt hat. Die Schülerchen haben sich ungeheuerliche Mühe gegeben, mir größtmögliche Plakate mit Abschiedsmitteilungen und Zukunftswünschen zu überreichen und ich werde sie vermissen und sie mich, die ersten 2 Tage, dann geht das auch vorbei. Aber ich muss schon sagen, ich habe viel von ihnen gelernt und sehe jetzt schon so viel in diesen kleinen Erwachsenen und hoffe inständig, man sieht sich mal wieder.



Mein Abenteuer geht jetzt aber erstmal weiter nördlich weiter.


Stopp! Wir spulen eine Woche zurück.

Ann und ich treffen uns auf ein Bier im Craic (ein wunderbar irischer Pub mit Kaminfeuer, Live-Musik und mittlerweile vielen Erinnerungen), es wird wohl das letzte für uns, bevor ich abreise. Es ist Donnerstag, wir philosophieren weniger über Gott, mehr über die Welt und ihre Macken, stellen fest, dass Dunedin mit dem scheinbar immerwährenden Regen uns beide erdrückt und fragen uns, warum wir nicht spontan dahin fahren, wo die Sonne scheint.

Ich wanke nach Hause (still can’t hold my drink), überprüfe den Wetterbericht online (mittlerweile meine Morgengymnastik, übrigens, denn er ändert sich mindestens einmal am Tag) und stelle ernüchtert (haha) fest, dass eine fette Sonne über der West Coast schwebt.


Da war ich noch nicht, yay!



Das bedeutet einen ganzen Tag im Auto, nay!



Wurscht!


Freitag noch mal forecast gecheckt, man weiß ja nie, immer noch Sonne, also schnell Andrew angerufen, der geniale Autovermieter, der uns schon ein paar Mal ne Knutschkugel für ein Wochenende und gegen günstige 100 bucks gegeben hat, er hat noch eine weiße, supi, danke, hol ich gleich ab. Kurz noch mal an die andere Straßenseite gewöhnen (jaja, musst ja nich gleich hupen, ich hab’s ja kapiert), dann schnell vor Anns Haus geparkt, tuut tuut, wir wollen noch n bissl einkaufen, da kommt sie aus dem Haus gegenüber, da ist ihr Arbeitsplatz, wie praktisch.


Bananen, Äpfel – Royal Gala, Knusperschnubblzeug, dies und das, am Ende gehen wir raus aus dem New World mit 4 großen Tüten. Naja.


Früh um 6 steh ich wieder vorm Haus, das Auto ist warm, die Nacht ist kalt, wir haben 9 CDs (in der Pampa ist das Radio eintönig, weißes Rauschen, nicht so mein Fall), los geht’s.



Wir halten und staunen, in Central Otago löst sich langsam die Wolkendecke auf, what a sunrise…


Da stehen wir, irgendwo fernab übel riechender Zivilisation und hören sublime Stille. Dann ein Geräusch, ganz plötzlich, fast wie ein Hubschrauber, zwar laut, aber ganz sanft und gleichmäßig. Vielleicht 500 kleine Vögel fliegen synchron vom Feld in die Luft, wirbeln umeinander, verlieren an Höhe und sich wieder im Feld.


Central Otago hat keine Lieblingsjahreszeit. Ich war hier im Sommer, im Herbst, und jetzt wieder mal im Winter, und jedes Mal entdecke ich diese Gegend aufs Neue – oder sie gibt mir immer wieder andere Impulse.


Der tiefe Winter, der sich so nur am frühen Morgen zeigt – temperaturmäßig und auch bildlich – erinnert mich beinahe an die russischen Märchen, aber zum Glück ist es hier viel, viel wärmer.

Wir halten dann in St. Bathans, das sich „town“ nennt, da muss ich glatt grinsen, denn man sieht hier nicht nur keine Menschen, sondern auch kaum Gebäude, und die Karte illustriert das ganz gut, wie ich finde. Vielmehr noch so eigentlich durch die Anzahl der Straßen (1). Wirklich süß.



Na gut, es ist ja schließlich Wochenende, Winter und wahnsinnig früh am Morgen. Aber sie haben nen schönen Badesee. Und so eine schöne Sonne!



Sehr erwähnenswert auch Cromwell, hier ein kleiner Stopp für Kaffee und Reiten. Mit Wolken allerdings.
















Wie viele andere Städte in Central ist Cromwell einst auch eine Goldgräbersiedlung gewesen und jetzt ein großer Anziehungspunkt in Central für Touris. Das sieht man jetzt zwar nicht auf dem Bild, aber man darf es mir glauben.
















Auf unserem Weg an die Westküste (West Coast heißt die Region originellerweise) halten wir dann durchaus noch einige Male und genießen die nahezu unberührte Natur, so n bissl in den Wald gehen und so, immer schön links laufen.

















Und übrigens sind hier keine Wolken mehr. SIE HABEN IHR ZIEL ERREICHT quasi.


Natürlich müssen wir durch die Southern Alps, die Alpen Neuseelands, ich rede gerne, aber jetzt bin ich ruhig, mir verschlägt es die Sprache, hier muss das Paradies irgendwo sein. Oder so.



JETZT HABEN SIE IHR ZIEL WIRKLICH ERREICHT. Die West Coast:


Ich bin entzückt, das Wasser ist hier auch nass und kalt und blau, aber es ist die Tasmanische See und es ist die Westküste, hach, die Westküste, die Westküste!









Aber wir haben unser Ziel noch nicht erreicht. Wir wollen doch weiter, zu den Gletschern. Fahren also gen Norden an der Westküste – der Westküste! – entlang und gelangen dann kurz vor Sonnenuntergang gegen 5, nach etwa 600 langen Kilometern (hier maximal 100km/h, aber oft langsamer, da gefährlich) zum Städtchen Franz Josef, das am Franz Josef Gletscher liegt. Mein erster Gletscher.

Ich übertreibe kein bisschen, wenn ich sage, dass mein erster Gletscher mich doch so beeindruckt hat, dass mir fast die Tränen kamen. Ich meine – mein erster Gletscher, mein erster Gletscher!!!


Den sehen wir aber erst morgen, ist ja schon fast dunkel, also mal schnell rumspaziert, bevor man gar nix mehr sieht.


Weil der Abend noch jung ist und wir naiv sind, gehen wir in den tiefen, gefährlichen, dunklen Wald, um Glühwürmchen zu sehen, die gar keine sind, sondern Fliegen und ihre Larven. Diese kleinen Insekten kacken für Licht.

Zieht euch das mal rein.


Aber sie kacken nicht nur für Licht [je nach Art wegen Lust auf Fliegensex oder Hunger oder Warnung für den Feind], sondern auch für die Tourismusbranche, denn zahlreiche Touris bezahlen viel Geld für Führungen in glow worm caves, in denen sie dann fluoreszierende Exkremente bestaunen können, begleitet von oohs und aahs und „how beautiful“ und „that is amazing“.


Wir stehen also ne Weile im Wald, unsere Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit und wir sehen die kleinen leuchtgrünblauen Pünktchen, sehr schwach [haben wohl grad keine Lust" oder keinen Hunger oder ihre Jäger sind ihnen egal], aber immerhin, die sind ja auch klein, und die brauchen ja auch bestimmt viel Kraft, so ein Verdauungsgenerator frisst bestimmt, habe aber gelesen, dass er immerhin fast 100% energieeffizient ist, d.h. nahezu die gesamte zugeführte Energie wird in Licht umgewandelt. Sie bauen nen kleinen Faden, an den sie dann kleine klebrige Bällchen hängen, in denen sich dann ein lebensmüdes oder einfach nur ignorantes Opfer verfängt. Ann sagt: „Did you know it’s their poo?“

Ich, frech und schamlos wie ich bin, mache ein Foto mit Blitz von dem Akt. Man sieht keine Würmchen, aber den Rest.


Nun ja, jedenfalls verbringen wir inspiriert dann einen langen Abend mit Wein und Winterjacke auf unserer eigenen Terrasse (sehr gutes und günstiges Motel), hier im zivilisatorischen Fast-Nirgendwo sieht man Unmengen von Sternen, und die Mondphasen sind auch verkehrt. Wieder Faszination pur.

Nächster Morgen, lecker Frühstück und dann zum Franzl, endlich Gletschertag!




Nein, ganz so warm war es nicht, Ann trägt immer Shorts.





Der Gletscher bewegt sich permanent und formt und schiebt und macht. Die Natur hier liebt sich innig, sogar die Bäume wollen in die Steine.











Wir müssen weiter, sonst wird der Blog-Eintrag zu lang.

















(Poochie ist uns in Hokitika hinterhergelaufen)



Und da…..






Daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa…..







Sehe ich meinen ersten KIWI!
























Bald darauf Stopp in Ross, natürlich Goldgräberstadt, mit wenigen Menschen aber auch Ziegen…




Und Gefängnis, logisch, ist wohl immer eine der ersten Institutionen in ner Goldgräbersiedlung gewesen.


Wir haben Zeit genug, ein bisschen Gold zu schürfen…



Und zum Ball zu gehen…



Dann nähert sich der Sonntag seinem Ende, mist, wir müssen morgen arbeiten, also mal schnell zurück nach Dunedin via Christchurch durch den Arthur’s Pass (Berge), den wir aber nicht sehen, denn als wir da hinkommen, ist es schon duster.

Bilanz Mini-Break

  1. Reisezeit: 2 Tage
  2. Gefahrene Kilometer: so 1180 km
  3. Körperbefindung während Wachsein: etwa 70% im Auto, fahrend, 30% außerhalb desselben.

Egaaaal. War geniaaaal.



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Da ich ja aber nun in Christchurch bin und noch nicht einmal verkündet hab, wie genau ich da hingekommen bin und wie die Busfahrt war, werde ich schnell sagen, dass der Bus, in dem ich schöne 6 Stunden meines Lebens verbracht habe, in Oamaru gehalten hat und ich in der Pause ein Paar Bilder von Gebäuden geschossen hab.



Oamaru ist berühmt für die vielen weißen Häuser, die mit dem berühmten Oamaru-Stein (Kalk) gebaut worden sind, der überraschenderweise hier in der Nähe abgebaut wurde. Das mal nur als kleines Schmankerl für Euch virtuellen Touristen. Grins.



Nun ist Christchurch ja viel flacher als Dunedin, ich denke nur ungern an den Muskelkater zurück, den ich anfangs vom schieren Laufen in die Stadt und zurück bekam. Die Tatsache der Flachheit Christchurchs (fortan Chch) wurde von Dunedinites, z.B. meiner Gastfamilie, als Manko abgetan, da langweilig und außerdem gefährlich für Orientierungslose.


Pah! Ich habe jetzt ein Fahrrad und ich benutze es! Täglich! Und das Leben ist viel schöner, denn in einer großen Stadt laufen ist wenig erquickend, v.a. wenn man jeden Tag denselben Weg geht. „Nur Genießer fahren Fahrrad und sind immer schneller da!“


Chch hat außerdem:
  • einen großen Park quasi in der Stadtmitte (Hagley Park)
  • einen kleinen Park in der Stadtmitte (Victoria Park)
  • einen Fluss, der durch die Stadt fließt (Avon River)
  • einen großen (Markt-)Platz in der Stadtmitte mit viel Beinfreiheit und ohne Autos
  • das Arts Centre mit dem samstägigen Food Court (my home, my heart) und vielen speziellen Marktständen und Live-Musik (und Stefan aus Thüringen, der Bratwurst mit Sauerkraut und wunderbarem Dialekt verkauft und sich über Kaffee freut)
  • einen Strand am Stadtrand (man bemerke bitte den Reim), z.B. in New Brighton
  • einen Mann, der Bilder auf den Sand malt
  • Marta und Zeus und momentan sogar Carles
  • Ro, meine Mitbewohnerin
  • Ein wunderschönes Mahnmal für die Kriegsopfer
  • Schönes Wetter
  • Rangi Ruru Girls’ School, meine Schule, die an Prestige von kaum einer in diesem Land übertroffen wird
  • 2 wunderbare Deutschlehrerinnen, mit denen ich zusammenarbeite
  • eine Cafébesitzerin, die verrückt genug ist, mich in ihrem Etablissement Gitarre spielen zu lassen und die mir auch noch Geld dafür gibt und für mich kocht
  • eine selbstständige Conny, die jetzt ohne Gastfamilie lebt und deshalb endlich selber für sich einkaufen gehen kann und sich nicht nach externen Zeiten richtet und es unglaublich genießt, sie kann gar nicht sagen, WIE SEHR
Illustration:






Ja, hier wollte ich schon immer sein. Aber das hatte ich nicht gewusst.

Die herrliche Wohnung, die Ro mit mir teilt, übertrifft meine Erwartungen und Ansprüche, aber ich hab sie trotzdem genommen, lach.


Auf der Terrasse hört man die Amseln zwitschern und das Bächlein rauschen, das durch das grüne Grundstück fließt, die Enten kommen oft zu Besuch, denn Ros Kinder füttern sie so gerne und sie mögen den Rand vom Toast eh nicht, also Entenfutter.








Viel Glas, viel Licht und Wärme (aber Kälte, wenn keine Sonne), viele Bäume, die man umarmen möchte, viel Humor, viel gemeinsame Wellenlänge, viel gute Musik, viel schlechte, die so schlecht ist, dass sie schon wieder gut ist, viele interessante und nette Leute, wenig Zeit für Internet, viele Fritten, Filme, Fish’n Chips, Füße hoch, Faffee, Fotwein, Feißwein und Fier, gemütliches Bett, gemütliches kleines Zimmer, 2 Gitarren.




Und 4 Wochen lang warmer Sonnenschein. Frühling mitten im Winter. Jetzt nieselt’s, aber gar nich schlimm.


Elsa kam zu Besuch, eine glückliche Reunion dreier Fremdsprachenassistentinnenfreunde und des Manns einer von ihnen (und deren spanischer Freund):




Außerdem: ich habe gekocht. Es gab mein Lieblingsessen, wurde auch Zeit.


Bratwurscht mit Erbern-Brei und Sauerkraut. War wie in der Mensa, nur ohne zuviel Salz und mit der richtigen Menge übriger Gewürze (kleiner Scherz, ich vergöttere die Mensa und Köchinnen wie Roswitha). Und zum Nachtisch gab es Schokopudding von Dr. Oetker und HARIBO Phantasia, kulinarisch und gesellschaftlich gesehen also ein voller Erfolg, der Abend.


Ich schließe mit Werbung für meinen nächsten Gig, der erste hat mir soo gefetzt, das will ich gleich noch mal machen. Sobald die Blasen und blutergusshaften Gebilde an den Fingerspitzen meiner linken Hand verheilt sind und die kleinen Nerven dort sich erholt haben.